Schauspieler Nikolai Will – Frage & Antwort

1) Nikolai, du bist.. 
Schauspieler, mit grosser Leidenschaft für das Komische.
2) Wann wusstest du, dass du Schauspieler werden wolltest?
Als ich das erste Mal einen Workshop an einem kleinen freien Theater in Würzburg besucht habe und auf andere Menschen getroffen bin, welche auch so eine Leidenschaft für das Spielen
hatten. Ich habe zwar vorher in der Schule auch Theater gespielt, aber oft mit Mitschülern für
die der Theaterkurs eine faule Alternative war zum nachmittäglichen Sprach- oder Sportunterricht. Eine häufige Frage in den Schultheaterkursen war: Und müssen wir den Text wirklich auswendig lernen?
3) Du hast dich gegen eine klassische Schauspielausbildung entschieden- warum? 
Das war keine bewusste Entscheidung, ich hatte mich einfach nicht getraut vorzusprechen, es war irgendeine Angst in mir, das man mir sagt ich bin nicht gut genug. Auch wusste ich nicht, wie man denn sowas neben seiner Miete überhaupt bezahlt. An einer staatlichen Schule aufgenommen zu werden, lag überhaupt nicht in meinem Vorstellungsbereich. Ich hatte gehört da muss man auch vorsingen und irgendwelche Choreographien machen, alles Dinge die ich mir nicht zugetraut habe. Dann bin ich mit 22 nach Köln gezogen, weil ich gehört hatte, das ist die Fernsehhauptstadt und dort bin ich auf einen damals recht bekannten Serienschauspieler getroffen, der mir sagte: “Du kannst es auch Learning by Doing” schaffen, nachdem er die 3 Kurzfilme gesehen hatte, die ich bis zu diesem Zeitpunkt erst gedreht hatte. Das war das was ich hören wollte, aber das es ein so langer, schwerer Weg werden würde, hätte ich nicht erwartet.
4) Bis heute hast du in über 200 Film- und TV Rollen mitgewirkt- was ist dein Geheimrezept?
Ich bin verdammt zäh, ich will einfach überall dabei sein und wenn es keinen Weg gibt, dann suche ich mir einen Weg. Das war sehr lange der Weg dann eben über Kleindarstellerparts aufs Set zu kommen, damit auf mich aufmerksam zu machen. Danach, paralell hatte ich viele Tagesrollen, Werbespots und Hauptrollen in Kurzfilmen/Independentfilme, über die ich mir mein Selbstbewusstsein geholt habe und die ein oder andere Auszeichnung. Ich wusste, ich brauche nur Geduld, ein bestimmtes Alter: Meine Qualität wird sich durchsetzen.
5) Mit 17 Jahren hast du deine erste Rolle verkörpert und damit direkt den “Bayrischen Jugendfilmpreis” gewonnen- ging es seitdem karrieremäßig konstant bergauf? 
 Nein, weil ich keinen Menschen in meinem Umfeld hatte, der mir sagte dass das was Besonderes ist. In meinem Umfeld war zur damaligen Zeit Theater die wahre Kunst. So ein Preis für eine Filmsache hatte in meiner provinziellen Umgebung leider wenig Bedeutung, wurde kleingeredet. Erst ein Jahr später als ich ein Festival besucht habe auf dem der Kurzfilm lief, fragte die Moderatorin am Ende, ob denn jemand aus der Filmcrew anwesend ist. Ich war der Einzige vor Ort und bin auf die Bühne gegangen. Sie fragte mich was ich denn bei dem Film gemacht hatte, ob ich der Regisseur bin, worauf ich geantwortet habe: “Nein ich habe den geistig behinderten Jungen gespielt.” Die Moderatorin vollkommen erstaunt und nach wenigen Sekunden erste Bravo-Rufe aus dem Publikum. Spätestens da wusste ich, ich habe eine Gabe.
6) Wie gehst du damit um beim Casting öfters der “unglückliche Zweite” zu sein und demnach die Rollen nicht zu bekommen?
Der Zweite oft gewesen zu sein ist eigentlich nicht schlimm, ich hatte eher immer das Problem das ich das oft für eine Phrase gehalten habe, also das sozusagen zu jeden von Platz 3 bis 50 gesagt wurde, dass es ganz, ganz knapp mit der Entscheidung war. Und man kann den zweiten Platz schwer beweisen, da gibt es keine Urkunde dafür. Erst letztes Jahr sollte es plötzlich so kommen, dass ich plötzlich der glückliche Zweite war und ich es dadurch in den Hauptcast in einer Serie und den Tatort geschafft habe. Ausserdem verkraftet man auch öfter der Zweite zu sein, wenn man auch gar nicht so selten auch der Erste schon war.
7) Du kämpfst dich ständig aus deiner Komfortzone- was bedeutet das für dich? 
Das bedeutet für mich, wenn ich ein Ziel erreicht habe, atme ich kurz durch, geniesse die Aussicht und dann konzentriere ich mich auf den nächsten Gipfel. Ich habe mir lange nicht getraut gross zu denken und auch Heute gibt es noch eine Sperre für das ganz, ganz grosse Denken. Früher war es für mich toll einfach schon statt einem Kleindarstellerpart eine richtige Schauspielertagesrolle zu haben. Und da ich soo unendlich lange Dutzende über Dutzende Tagesrollen gespielt habe, dachte ich mir: Ok dann bleibt das halt so – auch ok – dann will ich aber zumindest der Schauspieler mit den meisten Tagesrollen in der deutschen Film- und Fernsehgeschichte sein, ich glaube da bin ich tatsächlich nicht so weit entfernt von. Erst ganz spät – letztes Jahr – als ich plötzlich in den Hauptcast einer Serie gelandet bin, danach plötzlich noch andere tolle Sachen wie der Tatort geklappt haben, hat sich mein Blickfeld wieder geweitet und ich sehe plötzlich den nächsten Gipfel den ich besteigen möchte. Ich bin zufrieden, aber ich gebe mich nicht zufrieden. Ich bleibe in Bewegung.
8) Nein zu sagen ist für dich ein wichtiger Punkt in beruflicher Hinsicht geworden. Nein zu was genau?
Du musst dich immer wieder von bestimmten Dingen verabschieden sonst kommst du nicht weiter, zum Bsp. werde ich nie wieder Kleindarstellerparts spielen. Auch Kurzfilme mache ich nur noch höchst selten, das muss was richtig Gutes sein. Aber viel lieber entwickel ich mittlerweile selbst meine Projekte mit tollen, inspirierenden Menschen.
9) Thema Sichtbarkeit: Du stehst nie still und arbeitest hartnäckig für deinen Erfolg. Gab es einen Punkt, wo du alles hinwerfen wolltest?
Ja diesen Punkt gab es oft und wird es bestimmt auch mal wieder geben. Dieser Punkt tritt meist dann ein, wenn es wirtschaftlich hart wird und das passiert schnell in unserem Beruf. 3 Monate kein Angebot sind schon ziemlich hart. Aber ich habe so viel Zuspruch für mein Können bekommen, das mich da immer wieder etwas rausgeholt hat bzw. immer in Momenten in denen ich zweifel, kommen Nachrichten zu mir. Entweder schreibt mich jemand über fb an und sagt wie toll und inspirierend er/sie mich findet – das passiert mehrfach im Jahr und berührt mich immer wieder aufs Neue –  oder es kommt eben kurz vor knapp doch wieder das rettende Angebot. Mittlerweile weiss ich auch, das unser Beruf ein ständiger Wellengang ist und nach jedem Tief kommt ein Hoch, dass man dann noch viel mehr zu schätzen weiss. Und das Hoch kommt immer wieder, manchmal lässt es nur auf sich warten, weil man sich das tolle Geschenk, was da wartet, erst richtig verdienen muss.
10) Du warst mal mit einem Artikel im Men’s Health. Wie hat dich deine Einstellung zu deinem Körper beruflich geprägt/verändert?
Ja richtig. Ich war da zwei Jahre richtig fixiert drauf, wollte richtig gut aussehen, mich “vorabendtauglich” (für Serien besetzbar) machen. Ich habe geglaubt ich muss so aussehen um Fernsehtauglich zu sein. Was ich danach begriffen habe, ich habe mich damit nur unsichtbarer gemacht, war plötzlich einer von zig “smarten” Schauspielern – wobei dafür wiederum eigentlich gar nicht smart genug.  Das ich einen Fehler gemacht habe, habe ich ausgerechnet durch ein Rollenangebot gemerkt. Da hatte man mir was angeboten, mit viel Action und Stunts und ich dachte: “Oh mein Gott, auf sowas habe ich ja überhaupt keinen Bock”, ich spiele doch viel lieber den spiessigen Finanzbeamten, die Tollpatsche, Möchtegern-Chefs usw., die kann ich richtig gut. Und als ich dann noch meine Liebe endlich gefunden habe, hat mein Fixierung auf das Äusserliche nachgelassen. Was nicht heisst das ich nicht trotzdem wieder beginne etwas für meinen Körper zu tun, ich schauen will das ich ästhetisch aussehe. Aber schlank zu werden, hab ich nicht mehr vor. Gesund und fit möchte ich allerdings bleiben, damit ich lange diesen Beruf ausüben kann.
11) Vitamin B ist wertvoll in dem Schauspielbusiness- doch wie bekommt man es?
In dem man beständig connected, sich vernetzt, Menschen aus dem Business kennenlernt. Auf Festivals geht und mit Vielen aus der Branche spricht. Es müssen dich einfach so viele Menschen wie möglich aus unserer Branche im Kopf haben, wissen das es dich gibt und am besten auch wissen, dass du etwas kannst.
12) Du blickst auf eine lange Schauspiellaufbahn zurück- wie hast du dich stets motivieren können am Ball zu bleiben?
Durch eine tiefe Überzeugung, dass ich gut bin in dem was ich mache und dem Gedanken “Das werde ich euch allen noch beweisen”. Und es kamen ja dann doch immer wieder die kleinen Anerkennungen die mir gezeigt haben: “Du bist auf dem richtigen Weg”.
Zuletzt eine Nominierung 2019 als bester Hauptdarsteller in New York und das neben  zwei gestandenen Hollywood-Schauspielern. Oder eine unglaublich tolle Erfahrung auf dem Tatortset. Ich habe dort eine Wertschätzung von den beiden Hauptdarstellern, dem Regisseur und der ganzen Crew herum erfahren, die unglaublich beglückend war.
13) Was für Tiefpunkte gab es für dich in deiner beruflichen Laufbahn?
Das war wenn ich Kleindarstellerjobs gemacht hatte und oft wie ein Komparse behandelt wurde, in diesen Jobs mein Talent nicht gesehen wurde. Ich habe dadurch erkannt, DOCH es gibt kleine Rollen. Und zwar die Rollen für die sich noch nicht mal der Drehbuchautor interessiert und auch der Regisseur keinerlei Anforderungen stellt, nicht an Ideen interessiert ist. Und doch ist es mir sogar da öfter gelungen, Qualität in etwas zu schmuggeln.
14) Spielt Talent oder eher Optik eine größere Rolle in dem Business?
Heutzutage leider immer öfter wieviele Follower du auf Insta hast. Finde erschreckend wieviele NICHT-Schauspieler mittlerweile grosse Rollen bekommen. Und dann wundert man sich, wenn über das deutschen Fernsehen geschimpft wird. Ich wünsche mir das weniger danach geschaut wird, welcher NAME bringt uns Quote, sondern vielmehr danach: Wer hilft uns das der Film ein richtiges geiles Werk wird.
15) Was bedeutet Talent für dich?
Wenn das was du tust etwas auslöst in den Zuschauern, du mit dem was du tust berührst. Und vielleicht – weiter gedacht – du ganz tief in dir eine Stimme/ einen Kompass hast, der dir sagt: Du bist auf diese Welt mit dieser Gabe gekommen, mach verdammt noch mal das Beste daraus!
16) Was bedeutet Erfolg für dich?
Von meiner Kunst leben zu können und wenn mir mal irgendwann etwas gelingt, das mich überdauert. Wobei das kann dann natürlich nur die Nachwelt überprüfen.
17) Braucht man als Schauspieler unbedingt eine Agentur?
Nicht unbedingt, aber du stehst professioneller in den Augen der Caster da und hast im besten Falle einen “Partner in Crime”, der dich auf deinen Weg begleitet, dir die Gespräche abnimmt für die ein Künstler nicht wirklich gut geeignet ist. Wir Schauspieler sind meist schlechte Verhandler, weil wir unbedingt spielen wollen.
18) Dein jetziges Leben in einem Satz?
Die Frage macht mich gerade glücklich, denn ich kann sagen: Ich habe ganz genau das erreicht was ich bis 40 erreichen wollte: Meine grosse Liebe gefunden, ich bin im Hauptcast einer Serie und habe endlich den verdammten Tatort in der Vita.
19) Dein Ziel für die nächsten 10 Jahre?
Ich möchte einer DER Top 20 Charakter-Nebendarsteller in Deutschland sein. Mein Ziel die nächsten 3 Jahre: eine Nominierung für “Starker Auftritt” beim deutschen Schauspielpreis, bitte 2024 mein Ziel überprüfen. Ich möchte dieser verlässliche, vielfältig einsetzbare Schauspieler sein, auf den sich der Zuschauer immer freut. “Wenn Nikolai Will dabei ist, muss das ein guter Film sein.” Martin Brambach ist zum Bsp. so ein Mann im deutschen Film/Fernsehen.
20) Dein Lieblingsschauspieler 
Das ist unfassbar schwierig. In Deutschland Albrecht Schuch, denn der Mann kann einfach alles spielen, ein Jahrhundert-Talent was den deutschen Film angeht und Philipp Seymoure Hoffmann war mich für einer der ganz grossen Schauspieler, gleiche Gründe. Bei Beiden spielt  noch eine völlige Uneitelkeit mit hinein, es geht immer nur darum eine Figur so gut und glaubwürdig wie möglich zu verkörpern. Nicht so sehr stehe ich auf die Star-Schauspieler, die im Grunde immer nur sie selbst sind, wobei das auch eine ganz besondere Gabe ist, aber eben nicht der Weg der meiner ist.
21) Dein Lieblingsfilm
“Was vom Tage übrig blieb” – größte Schauspielkunst von Anthony Hopkins und Emma Thomson. Eine unerfüllte Liebe, eine Liebe die keinen Raum findet, minimalistischst gespielt und doch passiert alles, jede Augenbrauenbewegung löst ein Erdbeben in mir aus, das Unausgesprochene zerreisst mich als Zuschauer. Ein Film der mich im tiefsten Inneren trifft/berührt.
22) Zum Schluss die drei Leitsätze von Drei-Blick: Wie siehst du dich?
Auf einen guten Weg.
23) Wie sehen dich andere?
Auf den richtigen Weg.
24) Wie möchtest du gesehen werden?
Ich möchte vor allem gerne gesehen werden.
“Die verdammten Türen sprengen” – die Lebensgeschichte von unser aller Schauspiellehrer Michael Caine, der in diesem Buch tonnenweise Weisheiten an Schauspiel- und Lebenstips für den Leser bereit hält.
26) Dein Lieblingszitat 
– Sei individuell, mach es anders als alle anderen.
– Sorgen dafür so gesehen zu werden, wie du gesehen werden möchtest.
– Machen, einfach machen. Sei ein Macher.
– Umgebe dich mit einem positiven, inspirierenden Umfeld
– Geb dir einen Wert, desto besser wird man dich behandeln
– Beobachte, studiere Menschen.
– Habe das richtige Timing
– 80 Prozent von dem was du tust bringen dir 20 Prozent deines Erfolges und 20 Prozent deiner Bemühungen bringen dir 80 Prozent deines Erfolges.
– Kenne deine Ziel, um zu wissen ob du auf dem richtigen Weg bist.
– Zeige das du arbeitest. Jobs verschaffen Jobs.
– Höre auf den Rat der Kollegen die es geschafft haben, gebe nicht so viel auf die Meinung derer, die es nicht geschafft haben.
27) Dein Schlusssatz
Halte dein inneres Kind am Leben, erlaube dir immer wieder Kind zu sein.
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